Berühmte Menschen, immer noch aktuell, kommen selbst zu Wort

Interview: Albert Camus – Das Absurde

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Orelie: Guten Tag, Herr Albert Camus, ich freue mich, Sie zu diesem Gespräch begrüßen zu können. Wir werden über das Absurde in der menschlichen Existenz sprechen. Was wollen Sie als erstes dazu sagen?

Albert Camus: Das Klima der Absurdität steht am Anfang. Das Ende ist das absurde Universum und jene Geisteshaltung, die die Welt in ihrem eigenen Licht erhält, um so ihr besonderes und unerbittliches Gesicht aufleuchten zu lassen, das sie zu erkennen vermag.

Albert Camus, Der Mythos des Sisyphos, Die absurden Mauern, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juni 2004, S.22

Orelie: Wann kann ein Mensch von dem Gefühl der Absurdität eingeholt werden?

Albert Camus: Das Gefühl des Absurdität kann an jeder beliebigen Straßenecke jeden beliebigen Menschen anspringen. Es ist in seiner trostlosen Nacktheit, in seinem glanzlosen Licht nicht zu fassen.

Der Mythos des Sisyphos, Die absurden Mauern, S.20

Orelie: Wie kann der Mensch sich seinem absurden Leben stellen?

Albert Camus: Der Mensch steht vor dem Irrationalen. Er fühlt in sich sein Verlangen nach Glück und Vernunft. Das Absurde entsteht aus diesem Zusammenstoß zwischen dem Ruf des Menschen und dem vernunftlosen Schweigen der Welt. Das dürfen wir nicht vergessen.

Der Mythos des Sisyphos, Die absurden Mauern,S.41

Orelie: Wie empfindet er hierbei die Zeit?

Albert Camus: Wir leben auf die Zukunft hin: „morgen”, „später”, „wenn du eine Stellung haben wirst”, „mit den Jahren wirst du’s verstehen”. Es kommt gleichwohl ein Tag, da stellt der Mensch fest oder sagt, dass er dreißig Jahre ist. Damit beteuert er seine Jugend. Zugleich aber situiert er sich im Verhältnis zur Zeit. Er nimmt in ihr seinen Platz ein. Er erkennt an, sich an einem bestimmten Punkt einer Kurve zu befinden, die er eingestandenermaßen durchlaufen muss. Er gehört der Zeit, und bei jenem Grauen, das ihn dabei packt, erkennt er in ihr seinen schlimmsten Feind.

Der Mythos des Sisyphos, Die absurden Mauern, S.23-24

Orelie: Und welche Bedeutung kommt dem Tod zu?

Albert Camus: Tatsächlich gibt es vom Tod keinerlei Erfahrung. Erfahren im eigentlichen Sinne ist nur, was erlebt und bewusstgemacht wurde. Hier kann man bestenfalls von der Erfahrung des Todes der anderen sprechen. Das ist ein Ersatz, eine geistige Sicht, die uns nie sehr überzeugt hat. Diese melancholische Konvention kann nicht überzeugend sein. Das Grauen rührt in Wirklichkeit von der rechnerischen Seite des Ereignisses her. Wenn die Zeit uns erschreckt, dann, weil sie den Beweis führt, die Lösung kommt erst hinterher. Aus dem leblosen Körper, auf dem eine Ohrfeige kein Mal mehr hinterlässt, ist die Seele verschwunden. Diese elementare und endgültige Seite des Abenteuers ist der Inhalt des absurden Gefühls.

Der Mythos des Sisyphos, Die absurden Mauern, S.25-26

Orelie: Was kann der Mensch gegen das Absurde in seinem Lebens unternehmen?

Albert Camus: Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet.

Der Mythos des Sisyphos, der philosophische Selbstmord, S.46

Orelie: Was kann er also tun, Sie sprechen von einem Sinn, können Sie diesen aufzeigen?

Albert Camus: Was ist der Kern dieses Konflikts, dieses Bruchs zwischen der Welt und meinem Geist, wenn nicht das Bewusstsein, das ich von ihm habe? Soll man auf die zerstörende und wunderbare Wette des Absurden eingehen? Machen wir noch eine letzte Anstrengung, und ziehen wir alle unsere Schlussfolgerungen! Der Körper, die Zärtlichkeit, die Schöpfung, die Tätigkeit, der menschliche Adel werden dann ihren Platz in dieser sinnlosen Welt wieder einnehmen. Der Mensch wird hier endlich den Wein des Absurden finden und das Brot der Gleichgültigkeit, mit dem er seine Größe speist.

Der Mythos des Sisyphos, Die absurde Freiheit, S.71

Orelie: Herr Albert Camus, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.