Orelie: Guten Tag, Herr Charles de Gaulle und Herr Konrad Adenauer, ich begrüße Sie beide recht herzlich. Als Thema haben wir Deutschland und sein Verhältnis zu Frankreich gewählt. Was können Sie als erstes hierzu sagen?
Konrad Adenauer: Seit elf Jahren bin ich Bundeskanzler und glaube es trotz meinem Hohen Alter noch einige Zeit bleiben zu können. Das Vertrauen, das ich genieße, andererseits meine Vergangenheit, in der ich für Hitler und seine Leute nur Abscheu und Verachtung übrig hatte und diese mir und meiner Familie nur Übles zufügten, geben mir die Möglichkeit, die Politik Deutschlands in der gewünschten Richtung zu führen.
Konrad Adenauer in: Charles de Gaulle, Memoiren der Hoffnung, Verlag Fritz Molden, Wien-München-Zürich, 1971, S.219
Orelie: Herr de Gaulle, was möchten Sie auf das von Herrn Adenauer Gesagte antworten?
Charles de Gaulle: Ein auffälliges Geschick will es, dass in dem Augenblick, da ich die Zügel in Paris wieder in die Hand nehme, seit langem schon und noch lange genug Konrad Adenauer an der Spitze der Regierung in Bonn steht, von allen Deutschen der fähigste und glühendste Anhänger eines Zusammengehens seines Landes mit Frankreich. Dieser Rheinländer ist ganz von dem durchdrungen, was Gallier und Germanen einander ergänzen lässt. Dieser Patriot ermisst, welche Berge aus Hass und Misstrauen die frenetischen Ambitionen Hitlers, die die leidenschaftliche Gefolgschaft von Deutschlands Masse und Elite fanden, zwischen seinem Land und seinen Nachbarn auftürmten, und er weiß, Frankreich allein kann es ermöglichen, diese Berge abzutragen.
Charles de Gaulle: Ein auffälliges Geschick will es, dass in dem Augenblick, da ich die Zügel in Paris wieder in die Hand nehme, seit langem schon und noch lange genug Konrad Adenauer an der Spitze der Regierung in Bonn steht, von allen Deutschen der fähigste und glühendste Anhänger eines Zusammengehens seines Landes mit Frankreich. Dieser Rheinländer ist ganz von dem durchdrungen, was Gallier und Germanen einander ergänzen lässt. Dieser Patriot ermisst, welche Berge aus Hass und Misstrauen die frenetischen Ambitionen Hitlers, die die leidenschaftliche Gefolgschaft von Deutschlands Masse und Elite fanden, zwischen seinem Land und seinen Nachbarn auftürmten, und er weiß, Frankreich allein kann es ermöglichen, diese Berge abzutragen.
Charles de Gaulle, Memoiren der Hoffnung, Verlag Fritz Molden, Wien-München-Zürich, 1971, S.217-218
Orelie: Lassen wir uns über Deutschland sprechen. Wie sehen Sie, Herr de Gaulle dieses geteilte Land?
Charles de Gaulle: Deutschland, dreigeteilt durch das Bestehen einer parlamentarischen Republik im Westen, einer kommunistischen Diktatur im Osten und eines Sonderstatus in Berlin, ausgeliefert den Spannungen, die ein solcher Zustand in seinem Inneren hervorruft, und Haupteinsatz im Rivalitätsspiel der beiden Lager. In der entscheidenden Frage des Deutschland zugedachten Schicksals steht meine Meinung fest. Zum einen halte ich es für ungerecht und gefährlich, die tatsächlichen Grenzen ändern zu wollen, die der Krieg ihm aufzwang. Das heißt, die Oder-Neiße-Linie, die es von Polen trennt, ist seine endgültige Grenze, von den einstigen Ansprüchen gegen die Tschechoslowakei kann nichts mehr fortbestehen, es kann keinen neuen Anschluss geben. Des weiteren darf ihm um keinen Preis das Recht auf den Besitz und die Herstellung von Atomwaffen zugestanden werden, auf die es im übrigen zu verzichten erklärt hat. Ist dies gewährleistet, dann halte ich es für notwendig, dass Deutschland ein integrierender Bestandteil der organisierten Zusammenarbeit der Staaten wird, die ich für unseren ganzen Kontinent erstrebe. Auf diese Art wäre die Sicherheit aller zwischen Atlantik und Ural garantiert, und der Zustand der Dinge, Gemüter und Beziehungen würde sich in einer Weise wandeln, in der die Wiedervereinigung der drei Teile des deutschen Volkes zweifellos ihre Chance fände.
Memoiren der Hoffnung, S.202,208,217
Orelie: Was wollen Sie, Herr Adenauer, hierzu sagen?
Konrad Adenauer: Unter allen Umständen müsse festgehalten werden an der rechtlichen Basis, auf der der Status von Berlin beruhe. Wenn Präsident Eisenhower die Frage aufwerfe, was denn aus Berlin werden würde, falls später Chruschtschow wiederum irgendeine Attacke mache, so möchte ich ihm darauf erwidern, dass ein Verlassen der Rechtsgrundlage von Berlin durch die westlichen Mächte eine Flucht aus Berlin herbeiführen würde, während die dort lebenden Menschen bisher eben fest auf die Westmächte vertraut hätten.
Konrad Adenauer: Unter allen Umständen müsse festgehalten werden an der rechtlichen Basis, auf der der Status von Berlin beruhe. Wenn Präsident Eisenhower die Frage aufwerfe, was denn aus Berlin werden würde, falls später Chruschtschow wiederum irgendeine Attacke mache, so möchte ich ihm darauf erwidern, dass ein Verlassen der Rechtsgrundlage von Berlin durch die westlichen Mächte eine Flucht aus Berlin herbeiführen würde, während die dort lebenden Menschen bisher eben fest auf die Westmächte vertraut hätten.
Konrad Adenauer, Erinnerungen 1959-1963, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1978, S.25
Orelie: Herr de Gaulle, was ist Ihre Ansicht zu dem Status von Berlin und den daraufhin erfolgten politischen Ereignissen, die schließlich zum Bau der Berliner Mauer führten ?
Charles de Gaulle:„Sollten die Sowjets eine Krise auslösen“, schreibe ich an Kennedy,„kann nur eine rechtzeitig und deutlich erkennbar von Amerika, England und Frankreich eingenommene Haltung der Festigkeit und Solidarität böse Folgen verhindern. Erst nach einer langen Zeit internationaler Entspannung – und das hängt ausschließlich von Moskau ab – könnten wir mit Russland über den ganzen Komplex der deutschen Frage verhandeln.“ Den Französinnen und Franzosen, denen ich über die Ätherwellen die innere und äußere Lage unseres Landes darlege, erkläre ich: „Wieder dräut die Perspektive einer Krise am Horizont. Natürlich geht die Sache von den Sowjets aus. Sie erneuern ihre Anmaßung, das Schicksal Berlins einseitig regeln zu wollen, indem sie die Verbindungen der ehemaligen deutschen Hauptstadt und die Lage der dort befindlichen amerikanischen, britischen und französischen Truppen in Frage stellen, sofern Washington, London und Paris nicht nach sowjetischem Wunsch auf den derzeitigen Status der Stadt verzichten. Das würde auf gar keinen Fall hingenommen werden. Wie ich schon oft sagte, vor allem Herrn Ministerpäsidenten Chruschtschow im vergangenen Jahr, sollen die Sowjets, wenn sie, wie sie sagen, die Entspannung und Koexistenz wollen, diese zunächst einmal möglich machen, indem sie ihre Drohungen einstellen! In einer Weltatmosphäre der Zusammenarbeit der Staaten und der Verständigung der Völker verlöre ein Problem wie die deutsche Frage seine Schärfe und könnte zu gegebener Zeit von den beteiligten Mächten objektiv geprüft werden. Wer jedoch unter Theaterdonner die Absicht bekundet, über Berlin zu verfügen, ganz so, als ob drei Großmächte dort keine eigenständigen Rechte hätten und als brauchten die Berliner nicht ihr eigener Herr zu sein, der lädt sich von vornherein die Verantwortung für die schweren Folgen auf, die sich daraus ergeben können. Die Sowjets ziehen die Konsequenzen und wechseln plötzlich ihre Haltung zu Berlin. Im August 1961 wird eine Mauer gebaut, die das russisch besetzte Viertel der Stadt von den durch die drei Westmächte besetzten trennt. Damit ist der Flüchtlingsstrom aus Ostdeutschland, der dessen Wirtschaftstätigkeit schwer belastete, schlagartig abgeschnitten. Gleichzeitig aber zeigt die Errichtung dieser Mauer, dass Moskau nicht mehr auf die verängstigte Zustimmung der Amerikaner, Briten und Franzosen zählt, um sich der Stadt bemächtigen zu können.
Memoiren der Hoffnung, S.314-315
Orelie: Im September 1962 kamen Sie zu einem Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Was sagten Sie, Herr Adenauer Ihrem Freund hinsichtlich der politischen Ereignisse?
Konrad Adenauer: Im Laufe der Unterredung mit de Gaulle sagte ich, ich hätte schon mehrfach in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit und auch gegenüber dem sowjetischen Botschafter gesagt, dass für uns das menschliche Problem der siebzehn Millionen in der Zone und der Berliner das Entscheidende sei und erst in zweiter Linie das nationale Problem. Wenn in der Sowjetzone eine Lage entstünde, die den Menschen ein Leben in Freiheit und nach ihren Wünschen ermögliche, lasse die Bundesrepublik über vieles mit sich sprechen. Das Entscheidende sei das Leben der Menschen nach humanen Gesichtspunkten. De Gaulle erklärte, weiter könne Deutschland nach seiner Ansicht nicht gehen, und mehr könne man von Deutschland nicht verlangen.
Konrad Adenauer, Erinnerungen 1959-1963, S.182